Derzeit steht der Begriff «Bodypositivity» für viele Menschen im deutschsprachigen Raum für mehr Liebe zu sich selbst. Hinter dem Begriff steckt jedoch auch eine ordentliche Portion politisches Gedankengut und Gesellschaftskritik. Wofür stehen die Menschen hinter dieser Bewegung ein? Ein Blick in die «bodypositive» Szene.
Autorinnen: Jasmin Karim und Carina Majer
Aufmacherbild: Das physische Erscheinungsbild ist ein Spektrum, in dem kein Körper dem anderen gleicht. (Illustration: Carina Majer)
Der Markt für Abnahme-Medikamente boomt, Magen-OPs nehmen in der Schweiz zu. Während die WHO beim steigenden Übergewicht in Europa derzeit von einer «anhaltenden Epidemie» spricht, kursieren in den sozialen Medien täglich neue Diätvorschläge. Bei all diesen Vorkommnissen steht ein Ziel im Mittelpunkt: Die Kilos sollen runter. Gehen wir mit dem Thema Gewicht richtig um? Diese Frage steht im Zentrum verschiedener Bewegungen, die sich mit «Körperakzeptanz» beschäftigen. Wir werfen einen Blick in die bodypositive Szene und sprechen mit Menschen, deren Gewicht nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht.

Bildcollage erstellt von Jasmin Karim (Porträt Vorlage: Jule Kantim)
«Riot don’t diet» – ein Aktivismus gegen die Diätkultur
Sie ist Aktivistin, Mutter und eine dicke Frau. Mit diesen Worten beschreibt sich Melanie Dellenbach. Die Präsidentin der Organisation «Body Respect Schweiz» sitzt in einer grünen Jacke vor dem Bildschirm im Zoom-Meeting. Darunter trägt sie ein T-Shirt mit der Aufschrift «Kick Diet Cluture». Die Illustration einer dicken Frau, die einen Karate-Kick ausübt, ziert das Shirt. Bereits mit ihrer Kleidung bringt die Fettaktivistin auf den Punkt, wofür sie und ihre Organisation einstehen: Sie fordern das Ende der sogenannten «Diätkultur». Gemeint ist damit ein System, in dem dicke Menschen für ihr Gewicht beschämt werden und zur Gewichtsabnahme getrieben werden. «Dicke Menschen sind mit vielen Stigmatas behaftet. Das basiert auf der Vorstellung, dass sie ungesund sind, dass sie gar nicht wissen, was ein gesunder Lebensstil ist. Neben ihrem Aussehen wird auch immer gleich ein Urteil über die Moral von mehrgewichtigen Menschen gefällt», sagt Dellenbach. Gegen diese Stigmatisierung kämpft die Aktivistin mit der Body Respect Community an. Dellenbach erhebt sich aus ihrem Stuhl, holt ein Buch aus ihrem Bücherregal und hält es in die Kamera ihres Computers. «Riot, don’t diet!», wiederholt sie den Titel und schenkt der Kamera ein Lächeln.
Body Respect Schweiz – ein Schweizer Verein setzt sich gegen Dickendiskriminierung ein
Lange gab es in der Schweiz keine Organisation, welche sich für die Entstigmatisierung dicker Menschen einsetzte. Das änderte sich vor zwei Jahren, als Melanie Dellenbach «Body Respect Schweiz» gründete. Das Konzept der Organisation basiert auf dem Gedankengut US-amerikanischer Bewegungen wie «Health at Every Size» und «Bodypositivity». Body Respect ist in der Schweiz die erste und derzeit noch einzige Organisation, welche sich auf aktivistischer Ebene für Dickenrechte einsetzt.
Infobox: Was ist «Health at Every Size»?
Man kann die Gesundheit nachhaltig verbessern, ohne dabei Gewicht zu verlieren. Das ist der Ansatz von «Health at Every Size» (HAES). Das Konzept basiert auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass gerade das Stigma, dass dicke Menschen undiszipliniert und daher ungesund sind, bei den Betroffenen oft zu verschlechterten Gesundheitswerten führen. Statt Diäten zu machen und bestimmte Lebensmittel auf die «verbotene Liste» zu setzen, werden mehrgewichtigen Personen bei «Health at Every Size» dazu ermutigt, auf ihren Körper zu hören. Sie sollen essen, was ihnen guttut und sportliche Aktivitäten ausüben, die ihnen Spass machen.
Quelle: National Geographic – Society: «Health at every Size»
Ein grosser Teil der Arbeit von Body Respect Schweiz findet online statt: Hier versammelt sich die Community in Telegram-Chats und organisiert Zoom-Veranstaltungen wie der «Dicke Montagsclub». Auf dem Body Respect Instagram-Kanal teilen Mitglieder ihre persönlichen Geschichten, machen auf Fettfeindlichkeit in unserem Alltag aufmerksam und versuchen so, die Öffentlichkeit fürs Thema Dickendiskriminierung zu sensibilisieren.
Viele Mitglieder bleiben dabei weitgehend anonym und teilen lediglich ihren Vornamen, wenn sie auf Instagram ihre Geschichte erzählen. «Die Öffentlichkeitsarbeit kann Auswirkungen auf die Jobsuche haben. Es bringt gewisse Nachteile mit sich, ein öffentliches Gesicht zu sein», erklärt Dellenbach. Während die Mitglieder sich deshalb eher hinter den Kulissen auf die Wissensvermittlung fokussieren, tritt Dellenbach für den Verein als Fachperson auf die Bühne.
«Nichts über uns ohne uns: Dicke Menschen müssen mitreden können»
Melanie Dellenbach ist ausgebildete Pflegefachfrau mit einem CAS in Gesundheitsförderung und Prävention. Als Präsidentin von Body Respect Schweiz bringt sie das Thema Gewichtsdiskriminierung auf Schweizer Bühnen. Im Interview erklärt sie, wofür Body Respect steht und weshalb dicke Menschen im Zentrum der Bewegung stehen.
Frau Dellenbach, mit Ihrer Arbeit machen Sie auf die Diskriminierung von mehrgewichtigen Personen aufmerksam. Wo zeigt sich diese Diskriminierung im Schweizer System?
Wenn dicke Menschen aufgrund von Vorurteilen schlechter behandelt oder benachteiligt werden, dann spricht man von Gewichtsdiskriminierung. Wir sehen diese bei Zusatzversicherungen von Krankenkassen, wo Menschen mit höherem BMI teilweise keinen Zugang haben. Wir sehen diese bei der Gesundheitsversorgung, wo mehrgewichtige Personen aufgrund negativer Erfahrungen Untersuchungen herauszögern, oder sogar vermeiden. Wir sehen in Hörsälen von Hochschulen, wo es nur genormte, enge Sitzplätze gibt.
Wie geht Body Respect Schweiz gegen Gewichtsdiskriminierung vor?
Das Hauptziel von Body Respect Schweiz ist die Schaffung einer Kultur von Körperrespekt. Wir wollen die Schweizer Bevölkerung auf Gewichtsstigmatisierung aufmerksam machen. Gerade in einer Gesellschaft, wo dicke Menschen selten auf der Bühne stehen, ist dabei essenziell, dass diese sichtbar werden. Es kann nicht sein, dass es Podiumsdiskussionen über Themen wie Body Positivity gibt, wo keine einzige mehrgewichtige Person dabei ist. Das meine ich ganz nach dem Prinzip «nichts über uns ohne uns» – dicke Menschen müssen mitreden können.
Es geht also darum, für mehrgewichtige Personen in der Gesellschaft mehr Akzeptanz zu schaffen. Sind in Eurer Community nicht-dicke Menschen trotzdem willkommen?
Ja, natürlich. Aber dicke Menschen stehen ganz klar im Zentrum. Wenn wir es schaffen, dass dicke Menschen nicht mehr beschämt werden, dann hilft das allen Menschen. Auch den «Normalgewichtigen», die Bodyshaming erlebt haben oder unter einem schlechten Körperbild leiden. Ich möchte das Leid dieser Menschen überhaupt nicht kleinreden. Wir alle – unabhängig von unserem Gewicht – leben in einer Diätkultur. Um das zu ändern, müssen wir aber bei den Menschen anknüpfen, die am meisten davon betroffen sind. Wenn ihre Körper in der Gesellschaft akzeptiert werden, profitieren alle davon.
Das Ziel, dass alle Körper akzeptiert werden, tönt sehr ähnlich wie jenes der «Bodypositivity-Bewegung». Inwiefern unterscheidet sich Body Respect von Bodypositivity?
Grundsätzlich kann man die Arbeit von Body Respect auch als bodypositiv bezeichnen. Die Bedeutung von Bodypositivity wurde aber in den letzten Jahren stark verwässert, als das Hashtag #Bodypositivity zum Trend wurde. In den sozialen Medien standen auf einmal nicht-dicke Personen im Zentrum, die als Schlüsselfiguren der Bodypositivity gefeiert wurden, obwohl die Bewegung selbst viel älter ist. Wir verwenden für unseren Verein und unsere Arbeit daher den Begriff Body Respect. Wichtiger als die Bezeichnung ist sowieso, dass man klar benennt, worum es geht. Bodypositivity als Schlagwort unter einem Foto oder in einem Artikel reicht nicht aus. Sag uns lieber, wofür du dich einsetzt und über was du genau berichtest. Deshalb definieren wir in unserem Manifest, was wir mit Body Respect meinen: Was unsere Ziele sind und wer bei unserer Bewegung im Zentrum steht.
Jetzt haben wir viel über euer Leitbild gesprochen. Zum Abschluss nimmt es uns Wunder, wohin es mit der Body Respect Schweiz Bewegung gehen soll. Wie plant Ihr, die Bewegung weiter voranzutreiben?
Wir wollen einen Aktivismus schaffen, der nicht ausbrennt, sondern bestärkt. Für das nächste Jahr planen wir Treffen in verschiedenen Schweizer Städten, um die lokale Community zu vernetzen, den Austausch zu fördern und Aktionen zu planen. Auch die Solidarisierung mit anderen Bewegungen in der Schweiz ist uns sehr wichtig. Wir wollen gemeinsam etwas bewegen. Hin zu einer gerechteren Welt und zu einer gerechteren Schweiz, wo eben alle Körper respektiert werden.

«Mehr als nur das Abfeiern von Körpern» – Die Bodypositivity als politische Bewegung
Sie nennt sich selbst dicke Frau. Und beschreibt sich als radikal bodypositiv. «Ich weiss, dass das Wort Bilder von Molotow-Cocktails in den Kopf schiessen lässt», sagt Kathrin Tschorn. Sie meine «radikal» aber ganz im Ursprung seiner Bedeutung: Radikal stammt aus dem lateinischen «Radix» und bedeutet Wurzel. «Genau das mache ich mit meiner Arbeit als Bodypositivity Aktivistin», sagt die Berlinerin. «Ich gehe die Wurzel der Probleme an.»
Infobox: Kathrin Tschorn, aka das «Marshmallow Mädchen»
Kathrin Tschorn hat Soziologie studiert. Seit zehn Jahren befasst sie sich mit Themen rund um die Bodypositivity. Unter dem Alias «Marshmallow Mädchen» führt die Aktivistin einen Blog, in welchem sie Wissen über die Bodypositivity leicht verständlich aufbereitet und somit «Einsteiger*innen» einen Zugang zum Thema verschafft. Gleichzeitig führt Tschorn die sogenannte «Mampfschrift», in welcher sie für ihre Abonennt*innen auch über vertiefte, oftmals politische Themen im Bereich der Bodypositivity schreibt.
Mit ihrer Arbeit will Kathrin Tschorn aufzeigen, dass die Bodypositivity Bewegung vielschichtig ist. Einerseits findet sie auf innerer Ebene statt, wo es darum geht, den eigenen Körper und andere Körper so zu akzeptieren, wie sie sind. Dann gebe es eine weitere Ebene, die stark politisch ausgerichtet sei: «Es geht um mehr als nur das Abfeiern von Körpern. Es geht um die Frage, ob wir als Gesellschaft wirklich so mit dicken Menschen umgehen wollen, wie wir es derzeit tun». Die Bodypositivity-Bewegung stamme ursprünglich aus den USA, wo vor allem, queere, dicke und schwarze Frauen in den 1960ern die sogenannte «Fat Acceptance Bewegung» vorantrieben. Dabei forderten die Gründerinnen das Ende der Stigmatisierung dicker Körper in der Gesellschaft. Gerade dieser politische Aspekt von Bodypositivity wird heute laut Tschorn oftmals ausgeblendet.
«Beim Thema Gewicht sind wir noch in den 1880er-Jahren»
«Ich finde Bodypositivity zwar gut, aber zu viel Gewicht ist doch ungesund.» Diesen Satz hört Kathrin Tschorn oft. Im Interview erklärt die Aktivistin, warum Bodypositivity auf Kritik stösst und was sie von anderen Bewegungen unterscheidet.
«Nimm einfach ab» – Bodypositivity erntet in den sozialen Medien Kritik
Das Thema Bodypositivity sei erst mit dem Aufkommen der sozialen Medien in den deutschsprachigen Raum übergeschwappt, erklärt Tschorn. Hier werde die Bodypositivity mehr als etwas, das man auf individueller Ebene lebt, und nicht als Bewegung mit politischem Anliegen aufgefasst. Auf Social Media stösst die Aktivistin mit ihrer Aufklärungsarbeit über bodypositive Themen immer wieder auf Unverständnis.
„Bei vielen Leuten ist der Gedanke, dass dicke Menschen selbst an ihrem Gewicht schuld sind, tief verankert. Darum denken sie, es sei okay, Menschen für ihr Gewicht zu beschämen“, sagt die Aktivistin. Das erfolge ganz nach dem Motto „Wenn du nicht von mir diskriminiert werden willst, dann nimm einfach ab“. Erst wenn unsere Gesellschaft solche Einstellungen überwinden könne, könne man der Gewichtsstigmatisierung ein Ende setzen.
Jenseits der Oberfläche: Die Wichtigkeit einer gewichtsneutralen Herangehensweise
Gesundheit und Gewicht hängen unmittelbar zusammen. Das sagen zumindest einige Expert:innen. Doch dem sei nicht unbedingt so, denn Korrelation und Kausalität sind nicht immer dasselbe.
Wer mehrgewichtig ist, soll abnehmen. So lautet jedenfalls die Empfehlung verschiedener Expert:innen und Gesundheitsbehörden. Doch das ist nicht so einfach. Es gibt beispielsweise kleine Menschen, grosse Menschen, braunhaarige, blonde und so weiter. Diesen physischen Merkmalen liegt die Genetik zugrunde. Genauso verhält es sich mit dem Körpergewicht, wie Forscher:innen herausgefunden haben. „Sie haben Genmutationen gefunden, die dazu führen, dass sich das Körpergewicht drastisch erhöht. Sich dagegen zu wehren, ist schwer“, schreibt die Gesundheitsforschung bmbf. Mit persönlichen Verhaltensweisen kann man zwar bedingt darauf Einfluss nehmen, jedoch kann eine Gewichtsabnahme je nach Veranlagung schwer durchzuführen sein.
Fettaktivist:innen betonen, dass das Problem in unserer Gesellschaft die Erwartung ist, dass alle einem schlanken Schönheitsideal entsprechen sollen, auch jene Menschen, die genetisch bedingt nicht dazu neigen. Wer diesem Ideal nicht entspricht, wird oft stigmatisiert und als ungesund dargestellt. Das geht so weit, dass sich Mehrgewichtige selbst als Problem wahrnehmen und oft ein Leben lang versuchen abzunehmen.

Bildcollage erstellt von Jasmin Karim (Porträt Vorlage: Jasmin Karim)
In der Auseinandersetzung mit dem eigenen Gewicht
Benno Müller (22 Jahre alt) versucht bereits seit einigen Jahren abzunehmen. Er selbst beschreibt sich als jemanden, der ‚ein Problem mit Übergewicht‘ hat. Er wirkt fröhlich und entschlossen. Entschlossen, das Übergewicht loszuwerden, das er bereits als Kind angesammelt hat. Von Stigmas gegenüber Dicken fühlt er sich nicht ausgegrenzt und gibt diesen teilweise recht. Allerdings, wie Fettaktivist:innen sagen, nehmen viele Betroffene Dickenfeindlichkeit nicht einmal als Diskriminierung wahr. Vielmehr diskriminieren sie sich oft selbst und meinen, sie seien erst gut, wenn sie dünn sind.
Der Grundsatz „schlank sein ist normal“ wird durch das Hinzuziehen vom Body-Mass-Index unterstützt. Denn dieser teilt Personen in Gewichtskategorien ein: Untergewicht, Normalgewicht, Übergewicht, Adipositas Grad I bis III. Nach diesem Prinzip wird eine Person bei einer Grösse von 1,65 Metern und einem Gewicht von 68,1 Kilogramm bereits als übergewichtig eingestuft (BMI 25). Die Empfehlung daraufhin ist, das Gewicht möglichst zu halten und ab einem BMI von 30 im Sinne der Gesundheit abzunehmen. Doch hier entsteht laut Diätkritiker:innen das Problem.
Infobox: Was ist der BMI?
Der Body-Mass-Index (BMI) ist eine weltweit anerkannte Methode zur Beurteilung des Körpergewichts in Relation zur Körpergrösse. Er wird berechnet, indem das Körpergewicht (in Kilogramm) durch das Quadrat der Körpergrösse (in Metern) geteilt wird. Die Formel lautet:
BMI = Gewicht in kg / (Grösse in m)²
Der BMI liefert eine grobe Einschätzung des Körpergewichts und wird verwendet, um verschiedene Gewichtskategorien zu definieren. Ursprünglich wurde die Formel im Jahr 1832 vom belgischen Statistiker Adolphe Quetelet entwickelt. Allerdings ist der BMI auch umstritten, da er stark vereinfacht ist und keine Berücksichtigung von individuellen Eigenschaften wie beispielsweise Geschlecht und Alter vornimmt.
Quelle: Hirslanden: BMI-Rechner: Body-Mass-Index berechnen | Hirslanden
Diätkultur(schock)
Wer abnehmen möchte und es nicht kann, sucht sich nicht selten Hilfe bei Fachpersonen. Hier kann beispielsweise eine Ernährungstherapie Abhilfe schaffen, um einen gesunden Lebensstil zu fördern. Kritiker:innen, wie die Ernährungswissenschaftlerin Antonie Post, weisen aber auf die potenziellen Risiken von Essensplänen und einer damit verbundenen Diät hin. „Diäten machen krank“, so Post. Jedoch sei es nicht das eigentliche Abnehmen, sondern vielmehr der sogenannte Jo-Jo-Effekt, in der Fachsprache auch als Weight-Cycling bezeichnet, der negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. „Diäten scheitern in 95-98 % innerhalb der ersten eins bis fünf Jahre und zwei von drei Menschen wiegen nach der Diät mehr als vorher“, so die Wissenschaftlerin. Denn Diäten können sich oft in einen negativen Kreislauf verselbständigen:


Die gewichtsneutrale Herangehensweise
Wer abnehmen möchte, ist bei ihr falsch: Dr. Antonie Post ist Ernährungswissenschaftlerin und zertifizierte Ernährungstherapeutin und -beraterin. In ihrer Praxis in der Nähe von Stuttgart bietet sie gewichtsneutrale Beratungen und Therapien an. Der Fokus liegt auf den gesunden Verhaltensweisen und die Entwicklung einer intuitiven Esskultur. „Intuitives Essen ist der harte Weg. Dann musst du dich effektiv mit deinen Glaubenssätzen auseinandersetzen, aber es lohnt sich“, so Post. Ihr Ziel ist es, ihren Klient:innen zu helfen, eine ausgewogene und harmonische Beziehung zum Essen aufzubauen, indem sie ihre natürlichen Körperbedürfnisse wahrnehmen und darauf achten.
Infobox: Was ist intuitives Essen?
Intuitives Essen ist ein Konzept und eine Herangehensweise an das Essen, bei der die individuellen körperlichen Signale, Bedürfnisse und Präferenzen im Mittelpunkt stehen. Es basiert auf der Idee, dass der Körper die natürliche Fähigkeit besitzt, den Nahrungsbedarf zu regulieren und das Verlangen nach bestimmten Nahrungsmitteln zu steuern.
Die Prinzipien des intuitiven Essens umfassen unter anderem:
– Achtsamkeit beim Essen
– Auf die inneren Signale hören
– Keine restriktiven Diäten
– Genussvolles Essen
– Körperliches Wohlbefinden im Vordergrund
Quelle: Interview mit Dr. Antonie Post
Im Interview erklärt Post unter anderem, warum Mehrgewicht ungesund ist und weshalb Gesundheit und Gewicht trotzdem nicht direkt zusammenhängen.
Bei der gewichtsneutralen Beratung geht es um eine Anleitung zu mehr Body Positivity. Ziel ist es, die Gesundheit durch ein gesünderes Körperbild zu verbessern.
Wenn Korrelation nicht gleich Kausalität ist
Es gibt verschiedene Studien, die Mehrgewicht mit gesundheitlichen Problemen in Zusammenhang bringen. Gemäss Antonie Post gibt es aber keine einzige Studie, die einen direkten Zusammenhang zwischen Bluthochdruck oder Diabetes Typ 2 und Mehrgewicht beweist. Vielmehr sei es oft so, dass Mehrgewicht eine Begleiterscheinung von gesundheitlichen Problemen sein kann. Auch die durch Mehrgewicht hervorgerufene Stigmatisierung macht krank. „Wir wissen, dass Stigmatisierung und die Ausgrenzung durch die Gesellschaft zur Folge haben, dass Menschen nicht mehr am Sozialleben teilhaben. Das ist es, was krank macht.“

Deshalb setzt Antonie Post beim Individuum an. Sie ist keine Aktivistin, ihre Strategie ist eher, Neugierde zu wecken und die Möglichkeiten der gewichtsneutralen Behandlung aufzuzeigen. Das macht sie, in dem sie sich ein Netzwerk schafft und über ihre Erkenntnisse unterrichtet, mit dem höheren Ziel den Stigmatisierungen entgegenzuwirken und Mehrgewichtige in die Gesellschaft zurückzubringen.