Das älteste Restaurant Zürichs wird 222 Jahre alt. Nicht nur Zürcher:innen treffen sich in der Oepfelchammer, sondern auch Tourist:innen aus aller Welt. Doch was macht die Weinstube so besonders?
Autorin: Vanessa Bulliard
Titelbild: Gleich nach dem Eingang zur Oepfelchammer hängen zahlreiche Äpfel zur Dekoration; Bildquelle: Vanessa Bulliard
Thomas Trautweiler, Gastgeber Oepfelchammer; Quelle: Vanessa Bulliard
Weingläser klirren, Stimmen und Gelächter erfüllen den Raum aus Holz. Draussen ist es dunkel, doch im Inneren der Weinstube sorgt warmes Licht für eine gemütliche Atmosphäre. Seit über 650 Jahren steht das alte Patrizierhaus Nummer 12 am Rindermarkt im Zürcher Niederdörfli. Seit 1801, in diesem Jahr seit genau 222 Jahren, fungiert das Gebäude als Weinstube und Restaurant. Bier gibt es hier nicht, Wein dafür umso mehr. Auf der Hausfassade steht im Stein eingraviert der Name «Oepfelchammer». Wie Thomas Trautweiler, einer der drei Gastgeber der Weinstube, verratet, existiert dieser Name eigentlich nur im Volksmund: «Im Grundbuch ist das Haus als ‹Zum Judenhut› eingetragen. Der Name Oepfelchammer hat sich aber über Kantons- und Landesgrenzen hinaus etabliert.»
Berühmte Gäste
«Es existiert ein Gästebuch, welches momentan noch verschollen ist. Aber Gottfried Keller ist wohl unser meistbekannter Gast aus früheren Zeiten», berichtet Trautweiler. Man munkelt, dass der Zürcher Lyriker gerne hi und da bei ein paar Gläsern Wein in der Oepfelchammer «verhocket» ist. «Auch General Guisan war Gast bei uns und erhielt von Stammgästen ein Relief zu Kriegsende geschenkt», fügt Trautweiler hinzu.
Bäcker, Pfarrer und Witwen
Von Nonnen, die ihre Äpfel in dem alten Haus eingelagert hatten, über den Bäcker Kaspar Denzler im Jahr 1801 bis hin zu den aktuellen drei Gastgebern, welche kulinarische Klassiker modern interpretieren: Die Oepfelchammer hat eine ereignisreiche Geschichte zu erzählen.
Timeline von Vanessa BulliardTraditionen werden weitergelebt
Seit dem 1. Februar 2019 führen die drei Zürcher Thomas Trautweiler, Chris Gretener und Bendicht Stuber die Weinstube. Alle drei sind einer Zunft in Zürich angehörig, weshalb vor dem Restaurant die Flaggen der «Zunft zu den drei Königen» und «Zunft Hottingen» wehen. Die drei halten alte Traditionen hoch, wenn auch mit einer Prise Modernes. Nebst dem Bestseller «Zürigschnätzelts» möchten sie die Produktvielfalt der Schweiz nutzen, wie Trautweiler erklärt: «Heute haben wir auch Zugang zu Lachs aus den Bündner Bergen oder Zuchtcrevetten aus Solothurn.»
Das Restaurant ist aufgeteilt in drei Räume mit individuellem Stil und Charme. Die altdeutsche Gaststube, welche «Tante Trudy» vor fast 100 Jahren eingebaut hat, das Züri-Stübli und die Oeli, das Herzstück. Der Name der Letzteren stammt von Student:innen, die ihre Stimmbänder hier mit Wein ölten. Was im hölzernen Raum der Oeli auffällt, sind zahlreiche im dunklen Holz eingeritzte Namen. Grund dafür ist die Balkenprobe.
Über Balken und ein Weinglas exen
Die Balkenprobe ist weithin bekannt. Zürcher:innen kennen sie von früher und Student:innen beweisen sich heute noch durch die Mutprobe. Jedoch gelingt die Kletteraufgabe nicht allen, denn sie hat ihre Tücken.
«Auch ich habe die Balkenprobe gemacht, doch das ist bereits 24 Jahre her. Heute schaffe ich es nicht mehr», verrät Trautweiler: «Da ist mein nicht mehr ganz so sportlicher Körper schuld daran und die mangelnde Kraft.» Auch Mitarbeitende des Restaurants haben sich an der Probe versucht: «Wir hatten einmal einen Kellner, der die Balkenprobe so schnell vollbrachte, dass die Gäste gar nicht sahen, wie er es gemacht hat», erzählt Trautweiler.
Beliebter Ort bei Student:innen
Aufgrund der Balkenprobe kamen bereits früher viele Zürcher Student:innen von der nahe gelegenen ETH und Universität Zürich nach ihren Vorlesungen in die Oepfelchammer. Auch heute lassen sich Studierende zu einem Glas Wein nieder. «Vor allem Gesangstudentenverbindungen kommen regelmässig zu uns», erklärt Trautweiler: «Diese absolvieren ihre Aufnahmeprüfung in die Studentenverbindung, auch Burschenprüfung genannt, in Form der Balkenprobe.»
Weshalb gerade Student:innen den Ort so mögen, verrät Trautweiler: «Zum einen ist es aufgrund langjähriger Traditionen der Gruppierungen und zum anderen ist das traditionsreiche Haus ein Grund.» Zudem meint er: «Es ist ein Stück Zürich und wird von Studentenverbindungen geschätzt.»
Manuel Henchoz;
Quelle: Ethan Oelmann
Schon als Jugendlicher in der Oepfelchammer
Auch Manuel Henchoz schätzt die Weinstube. Der 57-jährige Zürcher besucht die Oepfelchammer mindestens einmal im Monat, und das bereits seit er Jugendlicher ist. Er verrät in einem Interview, was er an dem alten Restaurant liebt und was er von dort gerne mit nach Hause nehmen würde.
«Früher wurde der Begriff Stammgast intensiver gelebt. Die Zeit, in der Stammgäste täglich in einem Restaurant einkehren, sind vorbei», so Trautweiler. Dennoch sind Stammgäste wichtig: «Wenn Gäste regelmässig kommen, weiss man, dass man etwas richtig macht.» Auch sei es schön, Gäste beim Namen zu kennen und zu wissen: Frau Müller nimmt zwei Deziliter Weisswein. «Auf der finanziellen Seite sind Stammgäste ebenfalls ein sicherer Wert und tragen eine wichtige Botschaft nach draussen: Geht in die Oepfelchammer.» Für Trautweiler ist das der bestmögliche Werbeträger.
Tourist:innen verhelfen zum Erfolg
Nicht nur Zürcher:innen finden sich in der Weinstube ein. «Tourist:innen machen rund 50 Prozent der Gäste aus», zeigt Trautweiler auf: «Die andere Hälfte sind klar Herr und Frau Zürcher.» Die Wichtigkeit von ausländischen Gästen wurde Trautweiler vor allem während der Corona-Pandemie bewusst: «Es gibt zu viele Restaurants und zu wenig Bewohner:innen in Zürich.» Tourist:innen wie ein Ehepaar aus Konstanz oder ein Pärchen aus der USA füllen die Lücke auf.
Ambiente und Wein
Ein Abend in der Oepfelchammer ist etwas Besonderes. Der Wein fliesst und die Stimmung ist ausgelassen. Die Erinnerung daran bleibt bildhaft im Kopf hängen.






«Lokal ist nachhaltiger»
Thomas Trautweiler, Gastgeber Oepfelchammer
Restaurant von Zürich für Zürich
Trautweiler setzt bewusst auf einheimische Gäste. Für ihn haben diese einen besonderen Vorteil: «Lokal ist nachhaltiger. Wenn Zürcher:innen einen Besuch bei uns gefallen hat, kommen sie wieder. Tourist:innen besuchen uns unter Umständen nicht mehr.» Dabei ist es das Ziel der drei Gastgeber, mehr lokale als fremde Gäste zu haben. Dies unterstreicht Trautweiler: «Es ist ein Zürcher Restaurant und die Leute sollen Freude daran haben.»
Plan für die Zukunft

Zum Anlass des 222-jährigen Jubiläums der Oepfelchammer planen die drei Gastgeber eine besondere Aktion dieses Jahr. Sie organisieren einen öffentlichen Apéro für Freunde und Nachbarn des Hauses «Oepfelchammer». Weitere Infos werden auf der Webseite der Weinstube aufgeschaltet.

Als angehende Journalistin liebe ich es, neuen Geschichten auf die Spur zu gehen. Meine Kamera ist dabei meine stetige Begleiterin.